Zur Einführung

Peter Pioch

Die Enzyklika Humanae vitae (HV) hat für Stimmung gesorgt. Sie stand gegen den Zeitgeist, viele waren überrascht, viele verstanden ihre (katholische) Welt nicht mehr. Heute, über 30 Jahre später, hat sich manches geklärt, mancher Nebel hat sich gesenkt und man muss heute fragen:

Was wollte diese Enzyklika wirklich?

Ist sie Schnee von gestern? Hat Sie heute noch eine Bedeutung? Oder kann man Sie vergessen?

Als Autor dieser Site möchte ich diesen Fragen nachgehen. Zunächst sei angemerkt, dass ich selber dies aus eigener Überzeugung und aus eigenem Antrieb tue. Kein Unternehmen hat mich mit der Erstellung dieser Web-Site beauftragt. Schon gar nicht die katholische Kirche! Ich gehöre, dies sei vorweg gesagt, selber nicht zur katholischen Kirche (ich gehöre zu einer evangelischen Freikirche) Von daher habe ich eine gewisse Distanz, ich stehe auch nicht unter dem Zwang etwas verkündigen zu müssen, was ich selber nicht vertrete.

Index:

1. Was sagt die Enzyklika wirklich?
2. Ist die Enzyklika eine katholische Sonderlehre?
3. An wen richtet sich die Enzyklika?
4. Die Enzyklika beschreibt ein Naturgesetz - die Reaktionen nach Erscheinen der Enzyklika
5. Meine Kritik an der Enzyklika
6. Schlusswort

1. Was sagt die Enzyklika wirklich? (zurück zum Index)

Die Enzyklika HV wurde als "Pillenenzyklika" weltberühmt. Die Verwerfung der Pille sei ihr Inhalt, so meinte man. Da die Pille von 1964 an ihre Verbreitung in der Welt begann, so war der Erscheinungstermin am 25.Juli 1968 schon geeignet diesen Namen nahe zu legen. Liest man die Enzyklika jedoch wirklich einmal selber durch, so findet man dort die Pille nicht einmal erwähnt. Es gab keine Verwerfung der Pille, sondern eine ganz grundsätzliche Aussage wie:

Ebenso ist jede Handlung verwerflich, die entweder in Voraussicht oder während des Vollzugs des ehelichen Aktes oder im Anschluss an ihn beim Ablauf seiner natürlichen Auswirkungen darauf abstellt, die Fortpflanzung zu verhindern, sei es als Ziel, sei es als Mittel zum Ziel. (14)

Natürlich ist dies auch ein klares Nein zur Pille, aber eben nicht nur zur Pille. Jede Art der Verhütung ist hierbei gemeint. Jedoch zeigt HV im Anschluss daran auch die Möglichkeit der Natürlichen Empfängnisregelung auf. Die NER war zu jenem Zeitpunkt noch nicht so erforscht wie heute, ist jedoch heute in Form der sympto - thermalen Methode von Prof. Dr. Rötzer leicht erlernbar und sicher. HV vom Verbot der Kontrazeption her zu definieren, wie dies meist geschieht, ist jedoch ebenso falsch wie ein Auto von einem Bauteil her, wie z.B. die Räder, zu definieren. HV zeigt zunächst die Einzigartigkeit der ehelichen Liebe auf, spricht über verantwortliche Elternschaft und weist auf die Treue zum Schöpfungsplan Gottes hin. Erst nach diesen, meist vollkommen vergessenen Betrachtungen, wird der Aspekt der Unvereinbarkeit von liebender Vereinigung und Verhütung gesprochen. Was aber hier wirklich ausgesagt wird soll folgende Unterhaltung verdeutlichen.

Er: Sie:
Ich mag Dich - so wie Du bist!
Oh, nett von Dir!
Dein ganzes Wesen, deine Art, deine Kleidung. Ich mag Dich durch und durch!
.: )
Ich nehme dich voll und ganz so an!
 ; )
Aber deine schiefe Nase - die finde ich potthässlich!
:: (

Übertragen auf die Fruchtbarkeit heißt dies: "Ich nehme dich voll an, möchte mich dir ganz hingeben, aber deine Fruchtbarkeit kann mir gestohlen bleiben, die müssen wir chemisch behandeln!"

Das ist eben keine Ganzhingabe, das läuft dem Wesen der ehelichen Liebe entgegen.

(das Beispiel verdanke ich David Prentis aus Kladno - vielen Dank dafür!)

Das genau ist die Aussage von HV. Es sein noch einmal deutlich gesagt: Die Verwerfung der Kontrazeption ist nicht weil:

Die Verhütungsmittel schädlich sind. Denn dann müsste eine nebenwirkungsfreie Pille (falls es je eine geben wird) akzeptabel sein.
Die Kirche unbedingt möglichst viele Kinder haben möchte. HV spricht sehr wohl von der Verantwortung der Eltern die Zahl der Kinder zu begrenzen. Jedoch unter Beachtung der natürlichen Gesetze der Fruchtbarkeit.
Jeder eheliche Akt der Fortpflanzung dienen muss.  Das ist so nicht richtig. Es sollen keine Mittel verwendet werden, die absichtlich unfruchtbar machen. Die Natur selber lehrt, dass nicht alle Tage vom Zyklus fruchtbar sind.

2. Ist die Enzyklika eine katholische Sonderlehre? (zurück zum Index)

In der Broschüre von Prof. Dr. med. Josef Rötzer: "Die verantwortliche Weitergabe des Lebens in medizinisch- anthropologischer Sicht" findet sich auf Seite 24 folgender Passus: 

In dieser Enzyklika "Humanae vitae" (HV) wird ein umfassendes Bild über die Natur der Ehe entfaltet. Nur ein kleiner Teil handelt über die Frage der Empfängnisregelung, hat aber weltweit für die nur zu gut bekannte Erregung gesorgt. Es schien dann so, als ob diese Lehre nur eine typisch katholische Lehre sei.

Am 14.Intemationalen Familienkongreß in Bonn, 2.-5.April 1989, fand auch ein internationales Kolloquium zu Perspektiven der Natürlichen Empfängnisregelung statt, an dem der evangelische Theologe Werner NEUER teilnahm. Als Begründung für seine Anwesenheit führte er u.a. folgendes an (Zitat): "... daß es sich bei der Natürlichen Empfängnisregelung nicht um einen ethisch neutralen Raum handelt, zu dem die Theologie und die Kirche nichts zu sagen haben, sondern um etwas, was die theologische Bewertung geradezu herausfordert. Nach christlichem Verständnis ist Fruchtbarkeit eine der größten Gaben, die den Menschen anvertraut wurde. Der Mensch wird gewürdigt, an der göttlichen Erschaffung neuen Lebens mitzuwirken. Angesichts der Größe dieser Gabe muß die Frage gestellt werden: Welcher Umgang mit dieser Schöpfungsgabe der Fruchtbarkeit ist dem Schöpferwillen angemessen und welcher Umgang ist dieser Gabe unangemessen. Wo liegt ein rechter Gebrauch der Fruchtbarkeit, wo liegt ein Mißbrauch vor? Diese Frage macht ganz deutlich, daß die Methode der Geburtenregelung für Theologie und Kirche nicht gleichgültig sein kann" (FAMILIE IST ZUKUNFT 1989, S.207f.)8.

NEUER sah sich dann veranlaßt, ein "weitverbreitetes Mißverständnis zu korrigieren", "als ob die Lehre von 'Humane vitae' (HV) eine katholische Sonderlehre sei". Er machte darauf aufmerksam (Zitat), "daß die in HV vorgetragene Position, das Ja zur Natürlichen Empfängnisregelung und das Nein zur künstlichen Empfängnisverhütung, keine spezifisch katholische Position ist, sondern daß diese Position eigentlich die uralte traditionell christliche Tradition ist, wie sie von der frühen Kirche an bis Anfang unseres 20.Jahrhunderts einhellig vertreten wurde"(Ende Zitat). Hier setzte in der Beethovenhalle in Bonn ein donnernder Applaus ein.

Bis etwa 1930, bis zur damaligen Lambeth-Konferenz der anglikanischen Kirche, bestand zwischen den Konfessionen in dieser Frage ein weitgehender Konsens. NEUER sagte dann wörtlich (Zitat): "Es ist also nicht wahr, daß Papst Paul VI. eine nur katholische Lehre vorgetragen hätte. Er hat im Namen der ganzen Christenheit gesprochen. Der ranghöchste Vertreter der orthodoxen Christenheit, der Patriarch Athenagoras, hat kurz nach Erscheinen von HV dies dem Papst ausdrücklich bestätigt und festgestellt, daß er die authentisch-christliche und alleinmögliche christliche Position formuliert habe". NEUER hat dann eine umfassende Dokumentation "Die Enzyklika 'Humanac vitae' im Licht von Bibel und Tradition" publiziert (NEUER 1990)41

 

Die Schrift ist erhältlich bei der Europäischen Ärzteaktion, siehe Link zu den Büchern

3. An wen richtet sich die Enzyklika? (zurück zum Index)

Die Enzyklika richtet sich zuerst an die Würdenträger, den Klerus der katholischen Kirche. Dann an die Gläubigen und an alle Menschen guten Willens. (Siehe den Text.)

"Alle Menschen guten Willens" - das heißt also auch an diejenigen, die bereit sind ihr Leben nach den schöpfungsmäßigen Gegebenheiten auszurichten. Auch hier zeigt sich, dass die Enzyklika kein kath. Sondergut ist, sondern auch andere Christen und auch Menschen anderer Religionen anspricht. In der Tat ist in anderen Religionen und Kulturen die Ablehnung der Empfängnisverhütung oft selbstverständlicher als im christlichen Kulturkreis. Die Erfahrung zeigt auch, dass konfessionelle Grenzen immer unwichtiger werden. Die Gräben zwischen den verschiedenen Glaubenrichtungen gehen heute nicht mehr entlang der Konfessionen, sondern quer durch. So findet sich z.B. bestimmte Anbetungsformen heute in Teilen aller Konfessionen. Auch werden immer mehr Theologen anderer Konfessionen zitiert. Aussagen von Martin Luther King, wie z.B. das Lied: "Ich habe einen Traum..." findet man in fast jeder Kirche. Warum sollten die Aussagen von Papst Paul VI. in Humanae vitae nicht auch von Christen anderer Konfessionen ernst genommen und angewendet werden?

4. Die Enzyklika beschreibt ein Naturgesetz - die Reaktionen nach Erscheinen der Enzyklika (zurück zum Index)

Die Reaktionen nach Erscheinen der Enzyklika waren heftig. Die deutschen Bischöfe gaben eine Erklärung zur seelsorgerlichen Lage nach Erscheinen der Enzyklika, die sog. "Königsteiner Erklärung", heraus. (Diese ist in dieser Web-Site dokumentiert) Der Papst  wurde heftigst angriffen. Es wurden Parolen ausgegeben wie: "Sich beugen und zeugen?" Aus der Sicht von heute, einige Jahrzehnte später, kann die Frage gelassener angegangen werden. Die Reaktionen fußen m.E. auf einem falsch verstandenen Kirchenbild. Die Situation wurde wurde so dargestellt, als ob der Papst eine Kirchenverordnung erlässt, die den Gläubigen eine absichtliche Fessel umlegt. Die Wirklichkeit sieht anders aus. HV stellt kein Kirchengesetz, sondern ein Naturgesetz dar. Übertragen wir dies auf ein Beispiel: Das Fallgesetz wird mit der Formel: s = ½ g t2 dargestellt. Hiermit wird ausgedrückt, dass ein Körper beim freien Fall nach 4 Sekunden eine Strecke von 78,48 Meter zurückgelegt hat. Dieses Gesetz hat eine globale Gültigkeit. Jeder Körper fällt zur Erde zurück, wenn er über dem Erdboden losgelassen wird. Fällt ein Mensch aus dem Fenster eines Hauses, so wird sich dieses Fallgesetz auswirken. Derjenige, der dieses Gesetz als erster formuliert hat, trägt keine Schuld an den Auswirkungen des Gesetzes. Er hat dieses Gesetz auch nicht erfunden, oder wirksam gemacht, sondern es nur beschrieben. Die Aussagen von HV, die ja auch auf älteren Enzykliken fußt, beschreiben ja nur das Wesen der ehelichen Liebe. Dieses Wesen ist naturgegeben, es ist keine Erfindung der kath. Kirche. Bis zur Lambeth- Konferenz 1930 waren die Christen einmütig gegen die Verhütung. Die Reaktionen auf HV waren aber durch das falsche Kirchenverständnis geprägt, als ob der Papst den Gläubigen "den Spaß verderben möchte" und sich etwas besonders spießiges hat einfallen lassen. Dass es sich bei HV um ein Naturgesetz handelt, wurde in Eifer des Gefechtes zu oft vergessen. Übersehen wurde auch, dass andere Religionen derselben Ansicht sind, HV also keine Sonderlehre sein kann. Im obigen Beispiel gesprochen würde jemand dem Entdecker des Fallgesetzes ein Vorwurf über eine zerstörte Vase machen, die ihm aus der Hand gefallen ist. Darüber hinaus macht das Fallgesetz auch keine Aussage über den Zustand des Körpers nach den Fall. HV zeigt auch nur die Richtung auf, wie die eheliche Liebe recht verstanden und gelebt werden soll, unter Berücksichtigung der in der ehelichen Liebe innewohnenden Gesetzmäßigkeiten. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Aussagen von HV abgelehnt werden können. Während die Konsequenzen der Missachtung des Fallgesetzes offensichtlich und allgemein bekannt sind, sind die Konsequenzen der Missachtung von HV wesentlich schwieriger zu sehen. Doch von heutigen Standpunkt aus wird die Sache klarer. Stellen wir uns die Fragen:

1. Haben die Verhütungsmittel zu stabileren Ehen geführt?
2. Ist die Ehescheidungsquote gesunken?
3. Ist der Umgang mit der Sexualität verantwortungsbewußter geworden?
4. Sind die Zahlen der Abtreibungen, außerehelichen Schwangerschaften und Teenagerschwangerschaften gesunken?
5. Hat die Ehe in der Gesellschaft einen höheren Rang bekommen?

Ich wage zu behaupten: Keine einzige Frage kann mit "Ja" beantwortet werden. Dies ist auch (nicht nur) eine Folge des massenhaften Gebrauchs von Verhütungsmitteln. Anderseits zeigt sich, dass die Ehen derer die die Natürliche Empfängnisregelung praktizieren, weit stabiler sind. Auch haben diese Ehepaare eine wesentlich bessere Einstellung zum Leben und möchten überdurchschnittlich viele Kinder.

5. Meine Kritik an der Enzyklika (zurück zum Index)

Zwei Punkte möchte ich selber erwähnen, die ich als Kritik an der Enzyklika habe:
1. Die Enzyklika ist viel zu spät erschienen. Als die Lambeth- Konferenz die Aufweichung der bis dahin von allen Christen getragenen ablehnenden Position zur Verhütung beschloss, brauchte Papst Pius XI. nur wenige Monate für eine Antwort in Form der Enzyklika "Casti connubii". Nach Einführung der Pille brauchte Papst Paul VI. über 4 Jahre für diese außerordentlich wichtige Stellungnahme. In dieser Zeit versuchten einige "vollendete Tatsachen" zu schaffen, die den Papst zwingen sollten eine "liberale" (das Wort ist übrigens hier im Grunde vollkommen falsch verwendet) Lösung zu akzeptieren. Der Papst hätte aber niemals die Naturgesetze ändern können, von daher war es falsch soviel Zeit verstreichen zu lassen.
2. Der Papst ermahnt die Regierungen diese Gesetze zu beachten, er appelliert an die Wissenschaftler gangbare Wege zu erforschen, die Voraussetzungen zu schaffen diese Lehre lebbar zu machen. (Mein persönlicher Dank geht hier an Prof. Dr. Rötzer, der sich hier, wie andere auch, über alle Maßen eingesetzt hat, und die Grundlagen der Natürlichen Empfängnisregelung schuf. Wir haben persönlich davon sehr profitiert. P.P.) Er bittet die Bischöfe sich für diese Lehre einzusetzen. Das es damit, zumindest in Deutschland Probleme geben würde, war zur Abfassung der Enzyklika bereits absehbar. Der Papst hätte hier wesentlich mehr Unterstützung bieten können. Die Staaten werden kaum bereit sein, einen unbequemen Weg zu gehen. Mindestens ein Forschungsinstitut hätte er im Vatikan ausrüsten können. Die Schulung der Priester wurde in diesem Punkt arg vernachlässigt. In der Tat ist es ja auch schwer als zölibatär lebender diese Lehre Ehepaaren nahe zu bringen. Bis heute geschieht dies praktisch ausschließlich auf privater Ebene engagierter Ehepaare. Leider finden sich immer wieder Paare, die sehr bedauern die NER so spät erst kennen gelernt zu haben. "Hätte uns doch ein Geistlicher früher darauf hingewiesen", ist ein immer wieder gehörter Satz. Die Natürliche Empfängnisregelung erfordert vom Ehepaar einiges an Engagement. Mein Wunsch ist deshalb, dass zumindest die Christen hier mit gutem Beispiel voraus gehen und der allgemeinen Vergötzung der Sexualität ein lebendiges Beispiel entgegen setzen.

6. Schlusswort:  (zurück zum Index)

Die Bibel sagt in Math. 28, 18: "Und Jesus trat zu ihnen und sprach: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes und lehrt sie halten alles, was ich euch befohlen habe."

Sehr oft wird die Betonung auf: lehrt sie halten alles gelegt. Das ist zwar richtig, kann aber zu einem verkopften Glauben führen. Man kann die Betonung auch auf: lehrt sie halten alles legen. Also, wie lernen wir die Gebote Gottes im täglichen Leben zu halten? Was gibt es an Hilfen dazu? Die Natürliche Empfängnisregelung ist solch ein Weg. In Achtung vor der Schöpfung bewahren wir uns einander, achten die Gesetzmäßigkeiten die Gott in uns gelegt hat und sind offen für die Fruchtbarkeit, die Gott uns geschenkt hat.

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